Comeback der Deutschen Weinlagen

18. Februar 2016

In keinem Land der Welt hat man geeignetere Lagen für den Weinanbau mit einer ähnlichen Präzision ausgewählt, wie in Deutschland. Der Grund liegt auf der Hand: Etwas weniger Sonne, eine nördliche Ausrichtung oder eine frostgefährdete Ecke können den Traum von einem großen Weinjahrgang zu Nichte machen, lange bevor die Ernte eingefahren ist. Deutschland liegt an der nördlichsten Grenze des Weinanbaus, das war zumindest bislang so. Aber: Die sensiblen klimatischen Bedingungen prägen deutsche Weine mit einem weltweit einzigartigen Charakter.

Die Weinlagen Deutschlands sind das Spiegelbild einer langen Weinbautradition. Hinter ihren oftmals skurrilen Namen, die es nirgendwo sonst gibt, stecken Anekdoten, Legenden und Lebensweisheiten von einst. Sie sind ein Teil deutscher Kulturgeschichte.

Nicht zuletzt sind sie das Ergebnis eines feinsinnigen Wissens um den viel beschworenen Begriff Terroir mit all seinen Facetten aus Klima, Boden und Lage. Der Mega-Trend um regionale Produkte und Authentizität gilt auch dem Wein. Zum Comeback der Lagen haben wir einige der schönsten Weinlagengeschichten für Sie ausgewählt.

Heilkräfte – Bernkasteler Doctor

Die Weine von hier gehörten einst zu den teuersten Tropfen der Welt. Bis heute sind sie von herausragender Güte und weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Die Weine des Bernkasteler Doctors sollen vor langer Zeit einmal einen Erzbischof kuriert haben. Das brachte der Lage den Doktortitel ein.

Heute ist die Steillage an der Mittelmosel eine deutsche Einzellage, die zur Großlage Badstube gehört. Sie ist nur 3,25 Hektar groß und liegt unweit des historischen Stadtkerns von Bernkastel-Kues. Auf den Tonschieferböden, die sich in Richtung Südwesten neigen, pflanzt man nur Riesling. Der Bernkasteler Doctor wird häufig als Monument deutscher Weinkultur bezeichnet, denn die Weine prägen seit Jahrhunderten den Ruf der Moselrieslinge auch im Ausland. Berühmte Weingüter wie Geheimrat J. Wegeler, Wwe. Dr. H. Thanisch – Erben Thanisch und Erben Müller-Burggraef oder Reichsgraf von Kesselstatt bewirtschaften Teile des Doctorbergs.

Die Legende führt zurück ins 17. Jahrhundert. Der damalige Erzbischof Bohemund von Trier hielt sich an der Mittelmosel auf, als er schwer erkrankte. Alle Heilmethoden sollen versagt haben. Er stellte schließlich eine hohe Belohnung in Aussicht, falls ihm jemand ein wirksames Mittel gegen das Fieber bringe. Im darauffolgenden Herbst brachte ein Reiter ein Fass Wein. Bohemund genoss die köstliche Medizin und schon nach wenigen Tagen ging es ihm besser. Als Lohn wünschte sich der Reiter einen Doktortitel für den Weinberg, aus dem der Wein stammte. Diese Ankedote wird in vielen Varianten erzählt. Seither sind die Weine aus dem Doctorberg ein beliebtes Mitbringsel für Rekonvaleszenten.

Dreimal Sonne – Wehlener Sonnenuhr, Brauneberger Juffer-Sonnenuhr, Zeltinger Sonnenuhr

Die drei Sonnenuhren an der Mittelmosel zeigen beispielhaft, wie genau man in mitteleuropäischen Breitengraden auf die Sonnenausrichtung eines Weinberges achtet, denn mit ihr steht und fällt die Traubenreife. Hinzu kommen hier natürlich wärmespeichernde Tonschiefer-Böden und viele weitere kleinklimatische Faktoren. Die riesigen Sonnenuhren, die den Lagen ihre Namen gaben, wurden in den sonnigsten Teilen der Weinberge angebracht. Den Winzern zeigen sie an, wann Vesperzeit oder Feierabend ist. Die Sonnenuhr-Weinberge zählen heute zu den besten Lagen an der Mosel. Infolge der Realteilung sind sie in kleinste Parzellen aufgeteilt. Alleine die Juffer-Sonnenuhr wird von beinahe 100 verschiedenen Weingütern bewirtschaftet. Auf diesen wertvollen Lagen bleibt kein Quadratmeter ungenutzt.

Fromme Weinliebhaber – Maulbronner Eilfingerberg

Im württembergischen Kloster Maulbronn betrieben Zisterziensermönche seit dem 12. Jahrhundert Weinbau. Ungefähr ebenso alt ist die Legende, die sich um den Eilfingerberg dreht. Hier im Refektorium des Klosters gibt es eine Säule, um die eine Rinne führt. Aus dieser Rinne floss Wein, so besagt es die Legende, der aus dem nahe gelegenen Weinberg stammte. In der Fastenzeit war der Weingenuss jedoch untersagt. Die Mönche behalfen sich, indem sie jeweils im Vorbeigehen die Finger in das köstliche Nass eintauchten und den Wein schleckten. Einer der Mönche soll dabei bemerkt haben: „Eilf Finger müsste man haben“. Eilf war die Schreibweise für elf. So kam der Weinberg zu seinem Namen.

Heute ist der rund 15 Hektar große Weinberg, der auf Gipskeuperboden fußt, mit der regionaltypischen Sorte Lemberger und mit Riesling, Traminer, Silvaner und Weißburgunder bestockt. Die günstige Ausrichtung der Lage mit Winden aus dem Rheintal hält die Trauben bis in den späten Herbst trocken und gesund, so dass sie optimal ausreifen können.

Die Weine vom Eilfingerberg haben ein eigenständiges Profil, sie sind ausladend und sehr nachhaltig.

Reif von der Insel – Rheinhell auf der Mariannenaue

Ihren Namen verdankt die Insel Prinzessin Marianne von Preußen, die im Jahr 1855 das Schloss Reinhartshausen erwarb und damit auch in den Besitz der zum Schlosspark gehörenden Insel gelangte. Schon Kaiser Karl der Große schätzte das Klima der Insel, das durch die Lage im Fluss noch milder ist, als an den gegenüberliegenden Ufern. Von der rund 84 Hektar großen Fläche werden 23 für den Anbau von Wein genutzt. Zudem gibt es Obsthaine, Stillwasserflächen, Sandbänke und einen Waldsaum entlang des Ufers. Seit dem 9. Jahrhundert pflanzt man hier Weinreben. Der Weinbau wurde jedoch im Zweiten Weltkrieg vernachlässigt, weil die Produktion von Lebensmitteln wichtiger war. Erst in den 1970er Jahren besann man sich, hier wieder Weine anzubauen. Man versuchte sich mit verschiedenen Rebsorten, die sich aber aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit schwer taten. Interessanterweise entdeckte man, dass sich die Chardonnay-Rebe besonders gut entwickelt. Die Rebe soll deutschlandweit zum ersten Mal hier angepflanzt worden sein. Neben Chardonnay wachsen heute auch Riesling, Weißburgunder und Sauvignon blanc auf der Mariannenaue.

Seit dem Jahr 1974 gehört die Insel zum Europäischen Naturschutzreservat, insbesondere mit ihrem teils über 400 Jahre alten Baumbestand, aber auch weil sie Brutstätte für Kormoran, Graureiher und Schwarzmilan ist und zahlreiche Zugvögel überwintern. Naturschutzgebiet versus Weinanbau, das ist eine nicht immer konfliktfreie Mischung.

Seltene Pflanzen & erlesene Weine – Homberger Kallmuth

Der Homburger Kallmuth ist ein außergewöhnlicher Weinberg: Hier treffen die für Franken typischen Bodenformationen aus Buntsandstein und Muschelkalk aufeinander. Hinzu kommt ein spezielles, fast submediterranes Klima, das ziemlich trocken ist und mit einer westlichen Ausrichtung die wärmenden Strahlen der Nachmittags- und Abendsonne aufnimmt. Dann steigt das Thermometer manches Mal auf 60 Grad Celsius. Deshalb gibt es hier beste Bedingungen für die Silvanerrebe, aber auch für viele sehr seltene Pflanzen- und Tierarten. Dazu gehören die Asphodill-Graslilie, die Bergkronwicke und viele Orchideenarten. Außerdem stehen die zum Teil bis zu vier Meter hohen Trockenmauern zwischen den Weinterrassen seit dem Jahr 1981 unter Denkmalschutz. Viele Interessen kommen also zusammen, wenn Botaniker, Geologen, Denkmalschützer und Önologen hier ein besonderes Refugium sehen. Die Bewirtschaftung der Weinberge ist aufwändig und teuer, denn die Mauern müssen als Kulturdenkmal erhalten und gepflegt werden. Heute gehört der Weinberg fast ausschließlich zum Weingut Fürst Löwenstein, das seit beinahe 400 Jahren in dieser historischen Lage Wein anbaut. Die Rebstöcke sind nicht selten über 40 Jahre alt.

Der Rebstock wurzelt tief im Boden und nimmt Mineralien und Nährstoffe auf. Das Naturprodukt Wein spiegelt die Lage und den Boden wider, auf dem es gewachsen ist. Lage umfasst die Wirkung des vorherrschenden Klimas und der Exposition des Weinbergs zur Sonne (Hanglage) und den Einfluss der Bodenart auf den Wein.

„Dürkheimer Spielberg“, „Monzinger Frühlingsplätzchen“ oder „Deidesheimer Paradiesgarten“ sind nur einige der klangvollen Lagennamen in Deutschland. Mit dem Begriff Lage bezeichnet man einen Bereich von Weinbergen, die zu einer bestimmten Gemeinde gehören. Manchmal beschreibt der Name die Bodenart (Kallstadter Kreidekeller), eine Legende (Forster Ungeheurer), einen früheren Eigentümer (Dürkheimer Nonnengarten) oder das Klima (Siebeldinger im Sonnenschein). Oft wird einfach nur spekuliert, woher der Name stammt: „Kallstadter Saumagen“ könnte der Spitzname eines ehemaligen Besitzers sein, die Form der Parzelle, die einem Saumagen ähnelt oder ganz einfach der Tatsache gewidmet sein, dass diese Weine gut zu dem Pfälzer Nationalgericht passen.

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