Wahlverwandtschaften: Exotische und neue Rebsorten

16. März 2016

Die Rebsortenpalette klassischer, deutscher Weine wie Riesling, Silvaner, der roten und weißen Burgunderfamilie und vieler internationaler Sorten, die heute in Deutschland heimisch sind, wird bereichert durch eine ganze Reihe exotisch klingender Namen. Cabernet Cubin, Cabernet Dorio, Helios, Septimer oder Johanniter sind Reben, deren Weine man kaum kennt. Jedoch, wer die Weinlisten der Winzer durchforstet, trifft immer wieder auf solche Unbekannten, die eine Entdeckung wert sind. Sie werden regelmäßig auch zu den Verkostungen der Bundesweinprämierung angestellt und von der Expertenjury geprüft.

Manches Mal handelt es sich dabei um alte, beinahe vergessene Sorten, die wiederbelebt wurden. Andere werden von experimentierfreudigen Winzern aus benachbarten oder fernen Weinbauregionen importiert, etwa wenn dort ähnliche klimatische Bedingungen vorherrschen. Die edle französische Sorte Cabernet Franc gibt dafür ein Beispiel. Sie wird in Frankreich häufig als Verschnittpartner mit Cabernet Sauvignon eingesetzt. In diese Riege gehört auch die Syrah-Rebe, die an der Rhône seit Jahrhunderten hochwertige Weine liefert und unter dem Synonym Shiraz in Überseeländern häufig zu finden ist. Einige deutsche Winzer erproben auch den Anbau der spanischen Sorte Tempranillo, die dunkle und langlebige Rotweine von hoher Qualität ergibt. Goldmuskateller ist der deutsche Name für die Südtiroler Moscato-giallo-Traube, deren goldfarbene Beeren auch in deutschen Anbaugebieten aromatische Weißweine bringen.

Häufig sind es aber neue Züchtungen, die in langjähriger Arbeit von führenden Forschungsanstalten wie dem Geilweilerhof, in Geisenheim oder Weinsberg entstanden sind. Weltweit wurden in den letzten 100 Jahren über 1.000 neue Reben gezüchtet und das Portfolio bekannter Weinreben beläuft sich auf schätzungsweise 7.000 Sorten.

Langjährige Forschungsarbeit

Die Zielsetzung der Rebenneuzüchtung ist für den Weinbau von größter Bedeutung. Zu den wesentlichen Aufgaben zählt es zunächst, eine gute Ertragskraft mit hohen Mostgewichten zu erzielen. In einem zweiten Schritt gilt es, die hohe Weinqualität mit einer guten Schädlings- und Krankheitsresistenz zu verbinden. Diese Arbeit ist schwierig und langwierig. Bis eine neue Rebsorte entwickelt, erprobt und zugelassen ist, können 20 bis 25 Jahre vergehen. Die wertvolle Forschungsarbeit führt jedoch zu einer Erweiterung der Geschmackspalette und Stilistik unserer Weine und zu weitgehend resistenten Reben.

Zu den deutschen Rebneuzüchtungen jüngeren Datums, die die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg aus der Cabernet Sauvignon-Rebe gekreuzt hat, gehören vier neue Sorten, die bereits erfolgversprechend angebaut werden. Cabernet Dorsa und Cabernet Dorio sind Kreuzungen aus Dornfelder und Cabernet Sauvignon, die als „Geschwister“ aber unterschiedliche Merkmale aufweisen. Dorio gilt als feinfruchtiger, samtiger Rotwein mit deutlicher Cabernet-Charakteristik, während Dorsa mit kräftiger Farbe, Vollmundigkeit und deutlicher Gerbstoffnote überzeugt. Aus der gleichen Familie stammen Cabernet Mitos und Cabernet Cubin, die den Blauen Limberger als Elternteil haben. Dabei ist Cubin eine spät reifende und ertragssichere Rotweinsorte, die gute Spätburgunderlagen bevorzugt. Sie bringt dichte und füllige Weine und ist für den Ausbau im Barrique-Fass geeignet. Mitos wird häufig als Cuvéepartner eingesetzt, denn seine Weine sind farbkräftig und gerbstoffreich. Wenn er selbstständig ausgebaut wird, zeigt er Komplexität und Fruchtigkeit.

Aus dem Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg stammt die seit dem Jahr 2005 zugelassene weiße Rebsorte Helios. Sie wurde 1973 aus den Sorten Merzling, Seyve-Villard und Müller-Thurgau gezüchtet und zeichnet sich durch ihre gute Pilzwiderstandsfähigkeit aus. Diese Weine sind fruchtig, stoffig, aber auch neutral mit angenehmem Bukett und lebendiger Säure.

Verschlungene Wege

Ebenfalls in Freiburg hat man die Johanniterrebe aus Riesling, Ruländer, Gutedel und Seyve-Villard gekreuzt und im Jahr 2001 zugelassen. Sie besitzt große Ähnlichkeit mit der Mutterrebe Riesling, reift jedoch etwas früher und hat eine gute Frostfestigkeit. Auch im Geschmack lässt sich die Verwandtschaft zu Riesling und Ruländer feststellen, die Weine sind kräftig und fruchtig, zeigen ein etwas höheres Mostgewicht und eine geringere Mostsäure als die Rieslingrebe.

Eine jener Sorten, die beinahe in Vergessenheit geraten sind, ist beispielsweise die Tauberschwarz-Rebe, deren Herkunft unbekannt ist, die aber im Taubertal bereits um 1560 angepflanzt wurde. Die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg bemühte sich um ihre Wiederbelebung, denn nicht zuletzt zeichnet sie sich durch eine geringe Anfälligkeit für Krankheiten und Winterfrost aus und ergibt fruchtige, körperreiche und harmonische Weine mit ziegelroter Farbe. Ihr besonderes Potenzial zeigt sie durch konsequente Ertragsbegrenzung, dann entstehen dunkle Weine mit feinen Rauchnoten und den Aromen von Wildkirschen.

Hierzulande wird sie nur selten angebaut, während sie sich andernorts großer Beliebtheit erfreut: Die Lagrein-Rebe stammt aus Südtirol und hat den Weg in die Rebgärten Argentiniens, Australiens, der Schweiz, der Slowakei, Frankreichs und den USA genommen. Inzwischen bereichert sie auch das Sortiment manches Winzers in Deutschland. Man keltert aus der roten, autochthonen Sorte samtige Rotweine mit unverwechselbarem Charakter, aber auch duftige Roséweine. Waldfrüchte, reife Tannine und ein ausgewogenes Säurespiel geben diesen Weinen eine elegante Note.

Riesling und Courtillier musqué standen Pate, als man die 1995 zugelassene Goldriesling-Rebe züchtete. Sie zählt zu den älteren Neuzüchtungen, die im 19. Jahrhundert im Elsass entstand und in Deutschland hauptsächlich in Sachsen vertreten ist. Die fruchtigen Weine präsentieren sich mit einem feinwürzigen Muskatbukett.

Die Verwandtschaft von Rebsorten geht verschlungene Wege. Oftmals reichen sie weit in die Vergangenheit oder in ferne Länder und es bleibt spannend, ihre Herkunft aufzuspüren. Auch jene Sorten, die aufgrund bestimmter Trends keine flächendeckende Verbreitung fanden, sind als Raritäten das i-Tüpfelchen, das unsere Weinwelt so vielfältig macht.

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