Winzerlyrik: Was sind feinherbe Weine?

8. Oktober 2015

Besonders bei Mosel-Rieslingsweinen findet der aufmerksame Verbraucher seit einiger Zeit vermehrt einen neuen Begriff auf dem Etikett: „Feinherb“. Was beim ersten Hören vielleicht eher an eine Geschmacksbeschreibung für Schokolade erinnert, soll sich als neuer Begriff für halbtrockene Weine durchsetzen, die weinrechtlich in der Regel schon in die Kategorie „lieblich“ gehören.

Der Begriff „feinherb“ wurde erstmals vom Weingut Reichsgraf von Kesselstatt verwendet. Es gab daraufhin einen langen Rechtsstreit um die Zulässigkeit, da eine solche Klassifizierung nach dem Weinrecht nicht erlaubt war. Anfang 2002 endete der Zwist zugunsten des Weingutes. Inzwischen hat sich der Begriff vor allem bei Rieslingsweinen von der Mosel etabliert. Der Riesling weist in der Tat häufig eine kräftige Säure auf, die, wenn sie mit einem höheren Restzuckergehalt gepaart ist, den Wein runder und saftiger, aber eben nicht süßer, erscheinen lässt.

Freie Bahn für Winzerlyrik

Bis Mitte der 90er Jahre galt bei der Weinklassifizierung das sogenannte Verbotsprinzip. Danach durften nur die im Gesetz ausdrücklich zugelassenen Angaben wie „trocken“, „halbtrocken“, „lieblich“ und „süß“ verwendet werden. Das Urteil des Oberverwaltungsgericht Koblenz lässt nun der Winzerlyrik freien Lauf (siehe Zitat des Urteils). Inzwischen wird der Begriff „feinherb“ auch für analytisch halbtrockene Weine, die sensorisch trocken erscheinen, verwendet. Und es ist nicht auszuschließen, dass bald der erste feinherbe Eiswein auftaucht.

Zitat:
„Eine gewisse Blumigkeit der Angaben für die organoleptischen Eigenschaften des Weins und die dabei gelegentlich zu beobachtende spezielle Lyrik des Weinprobenvokabulars mögen von ihrem Aussagegehalt her nur schwer fassbar sein, sie sind aber nach dem Willen des Gesetzgebers gleichwohl zulässig.“ (Oberverw.ger. Koblenz: Aktenzeichen 7 A 10731/01.OVG).

Alles eine Frage des Images?

Es ist unbestreitbar, dass die starre Eingruppierung deutscher Weine in die vier Kategorien ihrer großen Geschmacksvielfalt nicht gerecht wird. Bei näherem Hinsehen scheint es aber vielmehr so, dass die neue Bezeichnung den halbtrockenen Weinen ein jüngeres, moderneres Image verleihen soll, da sie beim Verbraucher (zu Unrecht!) ein schlechteres Image haben als ihre trockenen Kollegen. Womit aber eher erreicht werden dürfte, den Verbraucher noch etwas mehr zu verwirren, den er muss eine weitere Bezeichnung auf dem Etikett interpretieren, die ihm wenig weiterhilft!

[textbox title=“Infotipp:“]Wirklich hilfreiche Informationen über einen Wein bietet dem Verbraucher das Geschmacksprofil, das bei „Deutschen Güteband Weinen“ auf dem Rückenetikett zu finden ist. [mehr…][/textbox]

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