Wein inszenieren: Innovative Konzepte zur Vermarktung

4. März 2016

Der Weinmarkt hat sich in den vergangenen 100 Jahren drastisch verändert. Ruth Fleuchaus, Professorin und Prorektorin an der Hochschule Heilbronn, erläutert, weshalb innovative Marketingkonzepte und ihre stringente Umsetzung in einer globalisierten Weinwelt heute wichtiger sind denn je.

„Warum ist ein innovatives Marketingkonzept heute so wichtig? Wurden deutsche Weine nicht bereits im 19. Jahrhundert erfolgreich verkauft?“

Ruth Fleuchaus, Hochschule Heilbronn: „Seither ist viel Zeit vergangen – der Weinmarkt ist heute weltumfassend. Die Zahl der Anbieter ist größer geworden und vergrößert sich noch. China ist gerade dabei, die USA als viertgrößtes Erzeugerland zu überholen und zu der Spitzengruppe Frankreich, Italien und Spanien aufzuschließen. Weinkonsumenten müssen keine deutschen Weine kaufen – gerade in Deutschland als einer der bedeutendsten Importnationen kann man heute aus einer fast unüberschaubaren Vielfalt wählen. Dabei ist die Qualität nicht mehr einziges Auswahlkriterium: Der technische Standard in der Weinbranche ist fast überall so ausgereift, dass es kaum noch schlechte Weine zu kaufen geben sollte.

Weine müssen heute zunächst einmal auffallen. Sie müssen ein eigenständiges Profil haben, das Kunden verstehen und mit dem sie sich von der Vielfalt des Angebotes abheben. Das haben die Produzenten in der „Neuen Weinwelt“ verstanden: Marketing und Kundenorientierung werden dort groß geschrieben. Die junge Generation, die gerade dabei ist, bei uns Verantwortung in der Weinbranche zu übernehmen, nimmt diese Herausforderung an: Sie verlässt sich nicht mehr nur auf die Qualität, sondern entwickelt eigenständige Marketingkonzepte.“

„Was erwarten Weinkonsumenten heute beim Weineinkauf?“

Ruth Fleuchaus: „Die Weine müssen nicht nur den geschmacklichen Grundbedürfnissen der Kunden entsprechen – sie sollen ihn auch emotional ansprechen und begeistern. Das ist der Mehrwert, den Kunden heute erwarten. Dieser Mehrwert kann der Erzeuger sein, der hinter dem Produkt sichtbar wird oder eine Marke, die dem Produkt Identität verleiht und ein emotionales Umfeld schafft. Leider hat die Weinwirtschaft noch immer eine falsche Vorstellung von Marke – sie wird häufig mit dem Stigma von „billig“ und „Masse“ verbunden.

Die Verbraucher haben an dieser Stelle eine andere Sicht: Sie begeistern sich in fast allen Bereichen für Marken: bei Autos, Sport oder Bekleidung. Luxusgüter leben von den Emotionen, die die Marke schafft. In der Weinbranche sind Namen wie Antinori, Torres, Mondavi oder Rothschild längst zu Marken geworden und werden auch so geführt.“

„Welche Möglichkeiten haben Weinerzeuger, ihre Kunden von den Weinqualitäten zu überzeugen? Könnten Sie uns einige Beispiele für erfolgreiche Konzepte nennen?“

Ruth Fleuchaus: „Von der „inneren Qualität“ eines Produktes können Erzeuger ihre Kunden erst überzeugen, wenn diese das Produkt gekauft oder probiert haben. Damit ist der erste Schritt getan, sich bemerkbar zu machen und potenzielle Kunden positiv zu beeindrucken. Dazu gehört eine eigene Identität, ein definiertes Profil, anhand dessen der Kunde erkennt, ob das Produkt in seine Welt passt und ob es für ihn interessant ist. Weinqualität, Verpackung, Design, Preisstellung, die Botschaft und der gesamte Auftritt – nach außen und nach innen – müssen stimmen. Leider gibt es viele Beispiele, bei denen zwar der ein oder andere Aspekt gut herausgearbeitet wurde, das Wesentliche und Kommunikationspolitische aber unverstanden bleibt. Ein Verband beispielsweise, der den Anspruch hat, die Spitze der deutschen Weinerzeuger hinter sich zu vereinen, muss es schaffen, seine Qualitätspyramide so eindeutig zu definieren, dass er sich beim Verbraucher dauerhaft als Qualitätsführer etablieren kann.

Ein erfolgreiches Konzept alleine reicht jedoch nicht aus. Man braucht zudem Zeit, einen langen Atem, viel Geduld und Detailarbeit und nicht zuletzt die Bereitschaft, zu lernen und flexibel umzusetzen. Bekannte Beispiele dafür sind Markus Schneider – der eindeutig für eine Marke steht – oder Schloss Vollrads, bei dem es darum ging, Tradition neu und modern zu definieren und an große Zeiten anzuknüpfen. Hier schließt sich der Kreis zu Ihrer ersten Frage – damals, im 19. Jahrhundert, waren deutsche Weine einzigartig, heute muss man daran arbeiten, im Sinne des Marketings wieder einzigartig zu werden.“

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