„Terroir“: Message in a bottle

2. Oktober 2015

Über kaum einen Begriff der Weinsprache wird wohl so kontrovers und erbittert diskutiert wie um den des „Terroir“. In Online-Weinforen wirft man sich nach langer Diskussion dann auch schon einmal persönliche Beleidigungen an den Kopf. Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich!

Beim Lesen all der vielen unterschiedlichen Terroir-Definitionen fragt man sich mitunter, ob eigentlich alle über das gleiche Thema sprechen. Häufig klingt es so, als wäre das Terroir die eigentliche geschmackliche Botschaft eines Weins –  die „Message in a bottle“ – nur darauf wartend, sich uns mitzuteilen. Eine kleine Auswahl an Definitionen finden Sie in unserem Infokasten.
[textbox title=“Terroir: Definitionen“]Aus Weinforen

  • „Terroir ist ein Mysterium, eine Metamorphose.“
  • „Ein Wein, der sich zu seinen Wurzeln bekennt und nicht verwechselbar global schmeckt!“
  • „Terroir ist ein sensorisches Erkennen, das jeweils nur wenigen Insidern in beschränktem Maße offen steht.“
  • „Der eigenständige Charakter eines Weins, der auch durch lange Einflussnahme des Menschen oder durch starke Jahrgangsschwankungen nicht zu verleugnen ist.

Seriöse Definitionen

  • „Die Summe der natürlichen und kulturellen Parameter, die die Identität eines Produktes ausmacht.“ (Franz. Weinlexikon)
  • „Einfluss von Klima und Bodentyp im Zusammenspiel mit den angepflanzten Rebsorten auf die spezielle und unverwechselbare Charakteristik des Weines, der dort wächst.“ (Wein-Plus)
  • Begriff für den Einfluss von Klima, Bodentyp und Winzerkunst auf die spezielle und unverwechselbare Charakteristik des Weines einer Region. (DLG)

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Summe natürlicher und kultureller Einflusse

Die seriösen Definitionen deuten schon allesamt an, dass es mitnichten nur der Boden ist, der terroirbestimmend ist. Neben den relativ statischen Faktoren wie Boden, Klima, Hanglage, etc., wird Wein auch durch eine Vielzahl an individuellen Faktoren, wie die Reberziehung, die Ertragshöhe, die Pflanzdichte und nicht zuletzt die Kellerwirtschaft, geprägt.

Das ist selbst für den Laien nicht neu, erklärt aber immer noch nicht, warum er denn nun einen Terroir-Wein kaufen sollte. Vielleicht kann man es auf einen Nenner bringen: Im Laufe der Jahrhunderte hat sich in allen Weinanbaugebieten die Weinherstellung von der Rebe bis in die Flasche immer weiter individualisiert und perfektioniert, sodass in vielen Gebieten sehr typische Weine entstehen. So gehört zum roten Burgunder die Maischegärung im offenen Bottich, der Barriqueausbau zum guten Bordeux und die Florhefe zum Rancio. Käme man nun auf die Idee, an den Bedingungen etwas zu verändern (Pflanzdichte erhöhen, Reberziehung ändern, Ausbau völlig umstellen), würde das Charakteristische dieser Weines verloren gehen.

Auch Terroir verändert sich mit den Jahren

Wer nun glaubt, ein großer Riesling aus dem Rheingau würde terroirbedingt heute noch genauso schmecken wie vor 150 Jahren, der irrt. Terroir ist etwas lebendiges, das sich ebenfalls verändert. Klimaveränderungen, Bodenerosion, Flubereinigung und technische Fortschritte in der Kellerwirtschaft geben vielen großen Weinen heute tatsächlich ein anderes Gesicht, als in früheren Zeiten. In dem etwas verengtem Zeitrahmen sind sie aber genauso terroirgeprägt wie früher

Terrain nur etwas für Profis?

Bei allem Definitionsstreit sind sich die Fachleute doch in einem Punkt einig: Über Terroir zu diskutieren, lohnt sich nur bei sehr hochwertigen Weinlagen. Bei den Weinen der meisten Weinlagen kann man lediglich das Typische der Region erkennen. Und das zu erkennen ist für den gelegentlichen Weintrinker schon schwer genug.

So hat man in den 70er Jahren in Deutschland versucht, den Unterschied zwischen Weinen verschiedener Herkunft chemisch zu erfassen. Tatsächlich war das nicht möglich. Der Unterschied verschiedener Jahrgänge und Rebsorten ist dagegen messbar. Einen Unterschied der Lage erkennen, können nur wirklich erfahrene Weinprofis.

Für den Verbraucher heißt das: Bei Weinen der mittleren bis leicht gehobenen Preisklasse spielt Terroir keine große Rolle. Bei solchen Weinen stehen eher die rebsortentypischen Primäraromen im Vordergrund. Allerdings gibt es Rebsorten, die sensibler auf Einflussfaktoren reagieren als andere. Chardonnnay, Riesling, Gutedel und Spätburgunder zeigen, je nach „Terroir“ andere Ausprägungen, während Carbernet Sauvignon, Gewürztraminer, Merlot und Dornfelder in ganz unterschiedlichen Regionen Weine mit ähnlichem Geschmacksprofil liefern. Was nicht heißt, dass es nicht auch bei ihnen erhebliche Qualitätsunterschiede gäbe.

„Message in a bottle“

Mit dem Terroir ist demnach wirklich ein wenig so, wie mit einer Flaschenpost. Die Botschaft ist meist sehr alt. Nur sehr wenige finden sie und dann kann man den Inhalt der Nachricht häufig nur schwer entziffern. Manchmal, wenn man großes Glück (oder sehr viel Geld ausgibt), findet sich aber auch eine „Schatzkarte“ in der Flasche.
[textbox title=“„Terroir: Wie alles anfing“]Schon im Mittelalter haben Zisterzienser (in Frankreich gegründeter Benedikterorden) den Einfluss bestimmter Weinbergslagen auf die Qualität des Weines beobachtet. Daher fassten Sie in Burgund Gebiete die einen einheitlichern Wein lieferte, durch den Bau einer umrahmenden Mauer zusammen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff näher gefasst und das heutige französische Qualitätssystem für Weine fußt auf ihm.
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