Gemeinsam stark: Winzergenossenschaften

15. Oktober 2015

In Deutschland kommt fast jeder dritte Wein von einer Winzergenossenschaft. In Italien sind es sogar 50 %. Der Zusammenschluss mehrerer Winzer zu einer Genossenschaft scheint also Vorteile zu haben.

Was ist eine Winzergenossenschaft?

Eine Winzergenossenschaft ist ein Zusammenschluss von Winzern, die ihre selbst erzeugten Trauben gemeinschaftlich verarbeiten. Die Winzer erhalten für die Trauben ein sogenanntes Traubengeld und die Genossenschaft finanziert sich mit dem Erlös des verkauften Weines.

Profis am Werk

Ein Vorteil von Winzergenossenschaften besteht darin, dass man für jeden Bereich der Weinerzeugung Spezialisten hat. Das geballte Know-how sorgt im Vergleich zum einzelnen Winzer, der im heimischen Keller alles alleine machen muss, für einen Vorteil, den man auch erschmecken kann. So beweisen Genossenschaftsweine in Blindtests immer wieder, dass sie absolut konkurrenzfähig sind. Viele Weine von Winzergenossenschaften sind so z. B. mit dem Deutschen Güteband der DLG ausgezeichnet worden. Nicht zuletzt können viele Winzergenossenschaften ein relativ gleichbleibendes Profil eines Weines garantieren und sich andererseits aber auch schnell auf neue Marktbedingungen einstellen.

Genossenschaftsmitglieder preisen als großen Vorteil auch immer die Mitbestimmung an, die sie haben. Wer an eine Genossenschaft liefert, darf in der Regel mit einer Stimme über die zukünftigen Geschicke mitbestimmen, egal wie groß seine Fläche ist. Dadurch können sich kleine Winzer mitunter auch einmal gegen die „Großen“ durchsetzen.

Wie alles begann …

Winzergenossenschaften sind eigentlich aus der Not heraus geboren. Mitte des 19. Jahrhunderts vernichteten Reblaus und Pilzkrankheiten ganze Ernten und zwangen viele Winzer sich nach anderen Verdienstmöglichkeiten umzusehen. Die boomende Industrie bot Arbeitsplätze gerade in großer Menge an, sodass viele Winzer dem Weinbau den Rücken kehrten.

Ein weiterer begünstigender Faktor für die Genossenschaftsgründung war die besonders im deutschen Südwesten vorherrschende Realteilung: Dadurch, dass das Land unter allen Kindern aufgeteilt wurde, wurden die Winzerhöfe immer kleiner. Schließlich lohnte sich nur noch der Anbau im Nebenerwerb, die Weinherstellung aber nicht mehr, da die Technik zu teuer war.

1852: Die erste Winzergenossenschaft – wenig erfolgreich

Der erste Zusammenschluss von Winzern, die sich „Winzergenossenschaft“ nannte, fand wohl 1852 statt. Unter Führung des Landwirtschaftsvereins für Rheinpreußen kam es zur Gründung von vier Winzervereinen an der Mosel. In den Vereinsrichtlinien tauchten bereits viele Grundsätze späterer Genossenschaften auf. Wirtschaftlich war man allerdings weniger erfolgreich. Den Mitgliedern wurden für die Trauben mehr Geld geboten, als man durch den Verkauf des Weines wieder hereinbekam.

1868: Mayschoß an der Ahr, die erste moderne Genossenschaft

Als Begründer der modernen Genossenschaften gilt Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der sich in seinem Buch „Die Darlehnskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Noth der ländlichen Bevölkerung“ in einem eigenen Kapitel mit dem Weinbau beschäftigte. Nachdem daraufhin auch der gesetzliche Rahmen in Form eines Genossenschaftsgesetzes geschaffen wurde, gründete der Winzerverein Mayschoß an der Ahr 1868 die erste „echte“ Winzergenossenschaft in Deutschland. Die Genossenschaft hatte Erfolg und schon bald wurden auch in allen anderen Anbaugebieten neue Genossenschaften gegründet.

1950: Der Genossenschaftsgedanke hat sich etabliert

Um 1950 hatten sich die Genossenschaften durchgesetzt. Allein in Baden existierten zu dieser Zeit über 100 Winzergenossenschaften. Diese schlossen sich schließlich zu einer Bezirkskellerei und nachfolgend zu einer Landeskellerei zusammen, die heute zu den größten Genossenschaften in Europa zählt.

1990: Der „Genosse“ wird unmodern

Mit der Wiedervereinigung verlor der Begriff „Genosse“ auch bei den Winzern seine Popularität. Bezeichnungen wie „Badischer Winzerkeller“ oder „Moselland“ lösten fortan immer öfter die alte Genossenschaftsbezeichnung ab. Am Prinzip hat sich dadurch allerdings nichts geändert.

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